Interview mit studio Formagora
Welche Bedeutung hat die Auszeichnung Finalist des „German Design Award 2024 – Newcomer“ für euch und eure Arbeiten?
Wir fühlen uns durch die Auszeichnung als Finalisten besonders in unserer Arbeit, in unseren Perspektiven bestärkt. Zusätzlich verstehen wir diese Auszeichnung von so hoher Instanz als Symbol für den Wandel. Den Rat für Formgebung kennen wir als eine traditionell wirtschaftsnahe Stiftung. Bei studio formagora stellen wir die soziale Wirkung unserer Arbeit in den Fokus, anstelle der Wirtschaftlichkeit. Unser Schaffen hinterfragt die derzeit gelebte Design- und Produktionspraxis. Wir hinterfragen das „Wofür arbeiten wir?“ vielmehr als das „Was erarbeiten wir?“. So etwas wird selten ausgezeichnet, haben wir bislang erfahren. Deshalb bedeutet uns das sehr viel.
Was hat euch dazu bewegt, gemeinsam das Designbüro studio formagora zu gründen?
Bereits im Studium merkten wir in der Zusammenarbeit, wie bereichernd die Unterschiedlichkeit unserer Gestaltung ist, die wir mitbringen. Das Bedürfnis eine ganzheitliche, gute Gestaltung zu machen, einte uns. In ersten gemeinsamen Projekten merkten wir dann, wie effektiv wir Design nutzen können, um soziale Mehrwerte zu schaffen und Transformationsprozesse anzuregen. Das hat uns begeistert. Als wir schon während des Studiums nach Möglichkeiten suchten, diese Designpraxis im Großraum Münster anzuwenden, merkten wir, dass wir keine Arbeitgeber*innen finden werden. So beschlossen wir gemeinsam studio formagora zu gründen.
Empowerment und Kooperation stehen bei euch ganz weit vorne – wie nutzt ihr selbst in eurer Zusammenarbeit bei studio formagora eure unterschiedlichen Stärken?
Wir sind unterschiedliche Persönlichkeiten, haben verschiedene Interessen, Gestaltungsansätze, Beweggründe und Ziele. Es kann manchmal schwierig sein, das zu vereinen. Uns ist wichtig, dass jeder sich in der Zusammenarbeit weiterentwickeln kann. Im Gestaltungsprozess versuchen wir dafür Platz zu finden und arbeiten bei Entscheidungen stets nach dem Konsensprinzip. So diskutieren wir und erarbeiten aus der Unterschiedlichkeit Ergebnisse, die eine hohe Qualität haben.
Ihr möchtet den sozial-ökologischen Wandel vorantreiben. Was bedeutet für euch verantwortungsvolles Design, welche Kriterien legt ihr dafür an?
An den geopolitischen Veränderungen, an der Klimakatastrophe, an Protestbewegungen und vielem mehr sehen wir, dass es nicht ausreicht, bloß das Produkt zu entwerfen. Wir müssen auf Lieferketten, Umwelteinflüsse, Produktionsbedingungen, Energieverbräuche, Verteilungsgerechtigkeit und vieles mehr achten. Das überblicken wir als Gestalter*innen oftmals besser als viele andere. Daher sehen wir es als unsere Verantwortung, aber auch unsere Chance, gestaltend in den gesamten Prozess einzugreifen. Das schaffen wir nicht allein, aber vielleicht als Moderator*innen multiprofessioneller Teams. Ganz wichtig ist für uns dabei: Wir wollen für Menschen und ihre Bedürfnisse gestalten. Nicht für eine Wachstumslogik, die seit Jahrzehnten an die planetaren Ober- und Untergrenzen gestoßen ist.
Der öffentliche Raum, Begegnung und Handwerk sind Kernelemente eurer Arbeit. Wie definiert ihr partizipative Gestaltungsprozesse und setzt diese um?
Echte Partizipation bedarf, dass wir als Designer*innen unsere alleinige Entscheidungsmacht, unser Exklusivrecht, abgeben und stattdessen einen demokratischen Prozess etablieren. Damit das aber wirklich sinnvoll ist und Mehrwerte schafft, müssen alle Beteiligten befähigt werden, Entscheidungen fundiert zu treffen. Das bedarf Kontinuität, Zeit und Mittel. Der Entwurf profitiert dabei massiv von dem Wissen der Menschen vor Ort und der Iteration. Wir dürfen also nicht den Fehler machen zu denken, Partizipation sei mit einer Infoveranstaltung getan. Es ist ein langwieriger, aufwändiger Prozess, der immer eine Ergebnisoffenheit voraussetzt. Aber das Besondere dabei: Ein partizipativer Gestaltungsprozess kann ein sozialer Prozess sein – Begegnungen oder auch Freundschaften entstehen. Menschen werden außerdem befähigt, sich aktiv in die Gestaltung ihrer eigenen Umwelt einzubringen. Und oftmals ist das noch ein Privileg: Sprache, Zeit, Kapazitäten oder Wissen können Hürden sein, um an öffentlichen Partizipationsprozessen teilhaben zu können.