Leonie Burkhardt
Leonie Burkhardt wurde 1994 in Heilbronn geboren. Nach einem zweijährigen Au-Pair-Aufenthalt in New Jersey, USA begann sie 2016 ein Bachelorstudium im Bereich Textildesign an der HAW Hamburg und ging für ein Zwischensemester von 2018 bis 2019 an die KMITL in Bangkok. Nach ihrem Bachelorstudium in Hamburg, wechselte sie 2020 für ihren Master an die Swedish School of Textiles in Borås, wo sie ihr Studium 2022 abschloss. Sie war von 2019 bis 2022 Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Praxiserfahrung sammelte sie bei Praktika, die sie u.a. bei Talbot Runhof und Kvadrat. Ihre Arbeiten zeigte sie bereits in zahlreichen internationalen Ausstellungen wie der Dutch Design Week, der Milan Design Week oder der International Biennal of Crafts und Creation in Paris. Leonie Burkhardt arbeitet heute als Freelancerin im Bereich Textildesign. Kern ihrer Arbeit ist das Experimentieren mit Textil. Material und Technik, Innovation und Handwerk stehen bei ihr in unmittelbarem Zusammenhang: So schafft sie beispielsweise sowohl durch Weben als auch durch Schrumpfgarn außergewöhnliche Projekte und dreidimensionale Textilobjekte.
Interview mit Leonie Burkhardt
Welche Bedeutung hat die Auszeichnung Finalist des „German Design Award 2024 – Newcomer“ für dich?
Finalistin des German Design Awards 2024 – Newcomer zu sein, ist vor allem eine große Ehre und Anerkennung meiner Arbeit. Die Auszeichnung spornt mich an, meinen Weg zu gehen und mich weiterhin mit zukünftigen Fragen im Textilsektor auseinanderzusetzen.
Deine Projekte und Arbeiten befinden sich zwischen Tradition und Innovation sowie zwischen Handwerk, Kunst und Design. Wie verbindest du diese unterschiedlichen Spannungsfelder miteinander?
In meinen Augen bildet traditionelles Handwerkswissen das Fundament, um eine Technik oder ein Material weiterzuentwickeln und neu zu denken. In den letzten Jahren habe ich viel an Jacquard-Webmaschinen – industrielle Maschinen, die über Websoftwares programmiert werden – gearbeitet. Das sieht alles erstmal sehr kompliziert aus, aber letztendlich basiert alles auf dem gleichen Prinzip, das schon vor Jahrhunderten angewandt wurde: das rechtwinklige Verschränken von zwei Fadensystemen. In meinem Masterprojekt Woven Forms ging es mir um die Fragestellung: Wie kann man Dreidimensionalität auf einem Gerät erschaffen, das dazu bestimmt ist, lediglich etwas Zweidimensionales zu kreieren? Ich sehe diesen Prozess als experimentellen Designresearch, dessen Endprodukt nicht unbedingt eine bestimmte „Funktion“ erfüllen muss. So verwischen die Grenzen zwischen Design, Handwerk und Kunst stark. Meiner Meinung nach braucht es eine Trennung zwischen diesen Themenfeldern auch nicht unbedingt.
Du spielst förmlich mit den Themen Material und Dreidimensionalität. Was reizt dich daran?
Der anfängliche Reiz lag in dem Gedanken, dass wenn man Dreidimensionalität im Webprozess schon einprogrammiert, man weniger Material verschwendet und Produktionsschritte reduziert und das somit zu einer nachhaltigeren Produktion von Kleidung oder Bezugsstoffen führen kann. Um diese Denkweise aber in der Industrie zu etablieren, braucht es eindeutig noch mehr Forschung zu der Thematik und viel Überzeugungskraft. Während meines Arbeitsprozesses im Studium faszinierte mich die Veränderung von Farbe, Textur und Material vom 2D zum 3D-Zustand. In meinem Masterprojekt Woven Forms habe ich mit einem synthetischen Garn, das sich bei Hitzeeinwirkung zusammenzieht, gearbeitet. In dem Projekt Woven Blocks habe ich mich zusammen mit Jojo Shone mit der natürlichen Qualität von Wolle, die verfilzt, wenn sie heiß gewaschen wird, auseinandergesetzt. Dabei ist es immer wieder spannend, welchen Effekt die Transformation von flach zu dreidimensional auf Farbe und Textur hat.
Du hast an unterschiedlichen internationalen Hochschulen studiert. Welche Erfahrungen waren für deine Arbeiten prägend?
Während meines Bachelorstudiums in Hamburg, habe ich mich für ein Auslandssemester in Bangkok, Thailand, entschieden. Zum einen habe ich während dieser Zeit ein erweitertes Verständnis meines Gebiets erhalten, denn Südostasien ist reich an Textilhistorik und -kultur. Zum anderen war es mein Fokus einen nicht-europäischen Blick auf Design aktiv zu erleben und mich mit einer anderen Kultur über Design und Handwerk auszutauschen. Für mein Masterstudium habe ich mich für eine Hochschule entschieden, die Praxis und Theorie in der Gestaltung vereint. An der Swedish School of Textiles in Borås gibt es Werkstätten, die die Herzen von Textilinteressierte höherschlagen lassen. Zusätzlich herrscht dort ein starker Fokus auf der Theorie des Gestaltens. Die Kombination aus Machen und Denken bzw. Denken im Machen und Denken über das Machen hat mich stark beeinflusst und zu einer besseren Gestalterin gemacht.
Was macht Göteborg in Schweden nach deinem Master an The Swedish School of Textiles zu deiner jetzigen Wahlheimatstadt?
Hauptsächlich hat das private Gründe. Trotzdem finde ich Göteborg beruflich sehr interessant, da es dort eine stark wachsende Kunst- und Designszene gibt. Göteborg ist bekannt als Industriestadt, ist aber auch geprägt von jungen, kreativen Initiativen rund um Kunst, Musik und Film. Hier trifft die typische Macher-Mentalität auf den Drang nach Veränderung und aktiver Mitgestaltung. Ein Spannungsfeld, das den Nährboden für Gestaltung und Design bietet.
Welche Themen beschäftigen dich zurzeit?
Gerade arbeite ich mit einem lokalen Strickunternehmen zusammen. Wir entwickeln unterschiedliche Ideen, wie man das dreidimensionale Denken auch im Strick weiterführen und die Qualitäten von Strick in der Thematik nutzen kann. Außerdem möchte ich im Bereich 3D-Weberei weiterforschen und dabei gerne die Gebiete Textil und Architektur zusammenbringen. Ich sehe Potenzial darin, Gewebe größer zu denken. Deshalb bin ich umso glücklicher beim German Design Award nominiert zu sein und so Menschen aus verschiedenen Fachrichtungen kennen zu lernen.