Mareen Baumeister

Zwischen Hightech und Handwerk – Interview mit Mareen Baumeister
Mareen Baumeister von der Kunsthochschule Weißensee bewegt sich multidisziplinär zwischen den Welten von Ökologie, Handwerk und Technologie. Mit einem journalistischen Wissensdrang erforscht sie, wie Materialien selbst zu aktiven Gestaltungsakteuren werden können. Ihr Ziel ist es, materielle Intelligenz zu gestalten und daraus neue Perspektiven für nachhaltiges Design zu entwickeln. In ihren Projekten FRUMO und FLOCK verwandelt sie organische Reststoffe in neuartige Materialien. Dabei verbindet sie handwerkliche Verfahren mit digitalen Technologien wie Robotik und maschineller Fertigung. Die auf diesem Wege neu entstehenden Herstellungsprozesse vereinen eine ökologische, soziale und kulturelle Verantwortung. Mit diesem Ansatz hat Mareen Baumeister bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten und zuletzt die Jury des German Design Award 2026 überzeugt. Sie zählt zu den fünf Finalist*innen der Newcomer-Competition.
Mareen, was fasziniert dich an der Verarbeitung bestehender Materialien und Ressourcen?
Mich reizt die Spannung zwischen Geschichte und Möglichkeit. Bestehende Materialien sind Archive von Wissen, die zeigen, wie und ob Systeme funktionieren. Design wird für mich dort relevant, wo dieses Wissen in neue Kontexte übersetzt werden kann. Ich suche daher nicht nach dem Neuen, sondern nach ungenutztem Potenzial im Vorhandenen. Wenn Wolle zur Last oder Lebensmittelreste zu Abfall werden, ist das kein technisches, sondern ein systemisches Problem. Genau hier kann Gestaltung ansetzen: Indem sie verborgene Möglichkeiten sichtbar macht und Materialien in Kreisläufe überführt.
Wie verbindest du Handwerk mit digitalen oder robotischen Prozessen?
Handwerk ist für mich verkörpertes Wissen über Material – eine Intelligenz, die im Tun entsteht. Dieses Wissen droht oftmals zu verschwinden, wenn Materialien an Wert verlieren. Deshalb interessiert mich, wie sich handwerkliche Prinzipien in technologische Ansätze übersetzen lassen. In FLOCK etwa habe ich jahrtausendealte Filztechniken untersucht und sie in einen robotischen Prozess überführt: Der Roboter wiederholt die Bewegung der Filznadel, präzise und zugleich variabel, sodass unterschiedliche Härtegrade entstehen. Digitale Technologie ermöglicht, diese Beziehung zwischen Material und Werkzeug gezielt zu justieren – und damit neue Qualitäten sichtbar zu machen. So entsteht eine Gestaltung, in der Tradition und Technologie sich gegenseitig befruchten.
Welche Rolle spielt für dich das Experimentieren im Entwurfsprozess?
Experimentieren ist eine meiner zentralen Methoden. Es bedeutet, dem Material zuzuhören, das oft selbst die Richtung vorgibt. Ich forsche systemisch und bleibe dabei stets offen für Zufälle und Abweichungen. Denn Experimentieren impliziert immer auch ein mögliches Scheitern und einen Lernmoment. Bei FRUMO etwa zerbrach mir eine Probe. Aus diesem Missgeschick kam mir die Idee, sie erneut zu erhitzen – so wurde mir die Formbarkeit und Selbstheilungsfähigkeit bewusst, die heute zentral für das Material sind.
Was verstehst du unter einem verantwortungsvollen Umgang mit Material?
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Material beginnt mit dem Beobachten und Verstehen seiner Qualitäten und Grenzen. Die Aufmerksamkeit für einzelne Materialien ist die Grundlage eines größeren Verständnisses von sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Einmal erkannt, liegt die Verantwortung dann darin, Entscheidungen mit Blick auf diese Beziehungen zu treffen. In der konkreten Gestaltung heißt das, Materialzyklen zu erhalten und zugleich die Vielfalt innerhalb eines Materials auszuloten. Ich suche nach Wandelbarkeit im Einzelnen, statt Komplexität durch viele Stoffe zu erzeugen.
Wie kann Design helfen, Produktions- und Wertschöpfungssysteme neu zu denken?
Ich verstehe Design als eine Form der Vermittlung. Es kann Wissen aus verschiedenen Disziplinen verbinden und Synergien fördern. Es kann Strukturen aufzeigen und neu konfigurieren. Damit ist Gestaltung kein Abschluss einer Prozesskette, sondern ihr Anfang: ein Werkzeug, das Systeme so gestalten kann, dass sie regenerativ wirken und Werte hervorbringen, die langfristig nähren.














