Personality of the Year 2024

Bettina Würth

Bettina Würth, ausgezeichnet als 'Personality of the Year 2024' des German Design Award, steht für eine zukunftsweisende Unternehmenskultur, die Nachhaltigkeit und Innovation vereint. Als Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe hat sie die Klimaneutralität zur strategischen Priorität erklärt und entwickelt Cradle-to-Cradle-Produkte, die Materialien in geschlossenen Kreisläufen halten. Diese Strategie reicht von zirkulären Bohrmaschinen bis zu modularen Bausystemen, die nachhaltig eingesetzt und am Ende ihrer Nutzungsdauer wiederverwertet werden. Mit einem globalen Team von über 88.000 Mitarbeitenden und mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2023 gestaltet Würth den Klimaschutz aktiv. Ihr Engagement für nachhaltiges Wirtschaften inspiriert und setzt branchenweit neue Maßstäbe, während sie aufzeigt, dass unternehmerischer Erfolg und Umweltverantwortung Hand in Hand gehen können.

Bettina Würth absolvierte nach Abschluss der Mittleren Reife von 1984-1986 eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Adolf Würth GmbH & Co. KG und war in verschiedenen Funktionen für die Würth-Gruppe tätig. 1997 baute sie in führender Verantwortung die Vertriebsaktivitäten weiter aus und wurde Mitglied der Geschäftsleitung der Adolf Würth GmbH & Co. KG. Im Jahr 2000 folgte ihre Ernennung zum Mitglied der Konzernführung der Würth-Gruppe. Seit 2006 ist Bettina Würth Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe und in verschiedenen Ämtern und Mandaten aktiv, unter anderem als Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), des Präsidialausschusses der Handelskammer Deutschland-Schweiz, des Präsidiums des Wirtschaftsrats der CDU e.V. sowie des Vorstands von UNICEF Deutschland e.V.

Begründung der Jury

Bettina Würth engagiert sich seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit in der Industrie. Als Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe geht sie mit gutem Beispiel voran und verfolgt seit 2017 eine konsequente, ganzheitlich auf das Ziel der Klimaneutralität ausgelegte Unternehmensstrategie. Hierzu gehört die kontinuierliche Senkung von CO2 durch die Nutzung regenerativer Energien und die Umstellung der Unternehmensflotte auf Elektro ebenso wie die Entwicklung von innovativen Cradle-to-Cradle-Produkten und umfassende Digitalisierung, um den Online-Handel zeitgemäß auszubauen und den Warentransport effizienter zu gestalten. Dabei hat die im eigenen Betrieb zur Industriekauffrau ausgebildete Enkelin des Firmengründers Adolf Würth bereits früh erkannt, dass eine authentische und glaubwürdig gelebte Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur gut für Klima, Umwelt und Menschen ist, sondern auch ein zentraler Faktor für eine wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft. Mit derzeit über 88.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 20 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2023 ist Würth Weltmarktführer in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Montage- und Befestigungsmaterial. Entsprechend groß ist der positive Einfluss des Unternehmens auf Klima und Umwelt. Eine vorbildliche Leistung, die sicher auch andere Unternehmen inspiriert und für die Bettina Würth von der Jury des German Design Award 2024 zurecht ausgezeichnet wurde.

Interview

Frau Würth, 2006 übernahmen Sie von Ihrem Vater Reinhold Würth den Vorsitz des Beirats der Würth-Gruppe. Ihre Karriere im Unternehmen begann aber schon viel früher. Sie haben hier Ihre Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht. Dass Sie einmal die heutige Position innehaben würden, war aber nicht von Anfang an klar, oder?

Ich bin mit dem Unternehmen aufgewachsen. Über meine Ausbildung zur Industriekauffrau und die unterschiedlichsten Stationen innerhalb der Würth-Gruppe habe ich die Menschen kennen und den Vertrieb lieben gelernt. So hat meine berufliche Entwicklung ihren Lauf genommen. Letztlich hat sich alles gut zusammengefügt.

Das Thema Nachhaltigkeit ist heute erste Priorität sämtlicher Firmenlenker. Wann und wodurch sind Sie das erste Mal auf die Materie aufmerksam geworden?

Nachhaltiges Wirtschaften ist in unserer DNA fest verankert und wichtiger Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Unsere Kunden aus dem professionellen Handwerk schätzen die Langlebigkeit und hohe Qualität unserer Produkte. Sie wissen, auf Würth kann ich mich verlassen. Ihre Erwartung ist unser Antrieb: Über unser Innovationszentrum Curio treiben wir den Bereich Forschung und Entwicklung nachhaltig voran. Ich gebe Ihnen ein aktuelles Beispiel: Die Akku-Bohrschrauber ABS 18 Compact und ABS 18 Subcompact M-CUBE der Adolf Würth GmbH & Co. KG haben als erste Power Tools weltweit eine Zertifizierung nach Cradle to Cradle Certified® erreicht. Auch die dazugehörigen 18V Akkus sowie der ORSY® System-Koffer wurden ausgezeichnet: Bronze für die Akku-Bohrschrauber und Akkus, Silber für den Koffer. Erstmals werden diese komplexen Produkte kreislauffähig gedacht. Das bedeutet, die Akku-Maschinen sollen so hergestellt werden, dass ihre Materialien am Ende möglichst vollständig wiederverwertet oder biologisch abgebaut werden können. Das sind wirkliche Fortschritte.

Als Sie 2017 im Unternehmen das »Cradle to Cradle«-Prinzip in die Unternehmensstrategie einbrachten, war das sicher revolutionär. Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten oder rannten Sie »offene Türen« ein?

Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn wir alle gemeinsam überzeugt sind. Nachhaltigkeit ist kein Zufalls- oder Nebenprodukt des normalen Geschäftsbetriebs, sondern eine Grundforderung unserer Gesellschaft, die konsequentes Handeln von uns allen erfordert. Davon sind wir bei Würth seit jeher überzeugt. Unser VARIFIX® Schnellmontagesystem ist das erste Cradle to Cradle®-zertifizierte Montageschienenprogramm weltweit. Nach seiner Nutzung kann es in die Ausgangsstoffe zerlegt und wiederaufbereitet werden. VARIFIX® war der Auftakt für viele weitere nachhaltige Würth Produkte.

Sie gehen noch einen Schritt weiter und haben selbst für Arbeitskleidung eine zirkuläre Lösung entwickelt. Damit eröffnen sich weitere Geschäftsfelder. Wie wirkt sich die Strategie langfristig auf die Marke Würth aus?

Zirkuläre Wirtschaft soll auf lange Sicht untrennbar mit der Marke Würth verbunden sein. Wir wollen unsere Kunden mit Lösungen unterstützen, die steigende gesetzliche Anforderungen oder gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringen, beispielsweise nachhaltiges Bauen. So haben wir die Idee von VARIFIX weitergedacht und setzen bei Großbaustellen beispielsweise auf Lösungen für modulares Bauen. Am Ende der Nutzungszeit eines Gebäudes können die eingebauten Module nach dem Prinzip der zirkulären Wertschöpfung wieder entnommen und in technischen Kreisläufen gehalten werden. Wenn wir es dann noch schaffen, bestehende Gebäude nachträglich zu ertüchtigen, statt abreißen zu müssen, haben wir nochmals mehr erreicht. Ein Beispiel: Ältere Industriedächer aus Porenbeton können zwar Schneelast tragen, aber keine Photovoltaikanlagen – die aber so wichtig für die Energiewende sind. Auch hierfür hat Würth eine innovative Lösung: Mittels Schrauben und Verfestigungsmörtel kann bis zu 80 Prozent zusätzliche Traglast auf das Dach gebracht werden. Diese neuen Anforderungen mit- und vorauszudenken, das ist heute unsere Aufgabe. In diesen Prozessen denken wir.

Die Adolf Würth GmbH & Co. KG hat sich das Ziel gesetzt, bis 2024 klimaneutral in Scope 1 + 2 zu sein. Welche wesentlichen Maßnahmen haben Sie hierfür in die Wege geleitet und wie gut liegen Sie in der Zeit?

Klimaschutz ist ein wichtiges Element unserer Transformationsstrategie. Als weltweit tätiger Konzern mit über 400 Gesellschaften in 80 Ländern stehen wir aktuell vor der Herausforderung, die relevanten Daten zu erheben und die dahinterliegende Infrastruktur und das Berichtswesen aufzubauen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. Als wir für die Adolf Würth GmbH & Co. KG das Ziel der Klimaneutralität ausgesprochen haben, galt die Kompensation von Treibhausgasemissionen als etablierte Methode, um rechnerisch klimaneutral zu werden. Das ist uns zu wenig. Unser Fokus ist ein anderer: Wir möchten etwas verändern und verwenden unsere ganze Kraft darauf, zu vermeiden und zu reduzieren, wo immer es möglich ist. Daher investieren wir weiter, beispielsweise in die Fuhrparkumstellung und den Ausbau unserer PV-Leistung. Zum Beispiel wurde die PV-Leistung an allen deutschen Standorten der Würth-Gruppe auf über 110.000 kWpeak erhöht. So konnte die Würth-Gruppe Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt 99.000.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Den selbstproduzierten PV-Strom nutzt die Unternehmensgruppe in den jeweiligen Gesellschaften zu nahezu 100 Prozent selbst.

Wie haben Sie Ihre Nachhaltigkeitspläne konzernweit an die tausenden von Mitarbeiter*innen kommuniziert? Gab es eine interne Kampagne?

Nachhaltigkeit gehört fest zu unserem betrieblichen Alltag. Im Rahmen einer Digitalkonferenz haben wir zum Beispiel allen Gesellschaften der Würth-Gruppe unsere Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt und es gibt in jedem Unternehmen einen Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Über Informationsveranstaltungen, Newsletter und Austauschrunden zu Best-Practice-Beispielen aus den Gesellschaften nehmen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit. Denn sie sind mit ihrem Wissen und Können die wichtigsten Treiber der Transformation. Sie bewerten die erhobenen Daten, leiten daraus Handlungsschritte ab und können damit die Transformation von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaftsweise sinnvoll steuern.

Stichwort Soziale Nachhaltigkeit: Würth übernimmt auch hier große Verantwortung. Möchten Sie uns einige Beispiele nennen, die Ihnen persönlich besonders wichtig sind?

Die Würth-Gruppe und die gemeinnützige Stiftung Würth übernehmen vielfältig Verantwortung für die Gesellschaft und tragen mit kleinen und großen Initiativen zu einer lebenswerten Zukunft bei. Im sozialen Bereich setzen sich das Unternehmen und die Stiftung Würth für Menschen mit Behinderung ein. Erst kürzlich hat das 6. Musikfest der Stiftung Würth für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung stattgefunden – eine tolle Veranstaltung! Dieses Engagement geht stark auf meine Mutter zurück, die gemeinsam mit meinem Vater im Jahr 1987 die gemeinnützige Stiftung Würth ins Leben gerufen hat. Diese fördert vielseitige Projekte in den Bereichen Kunst & Kultur, Bildung & Erziehung, Forschung & Entwicklung sowie Integration.

2022 hat Würth in Künzelsau das Innovationszentrum »Curio« eröffnet. Um was genau handelt es sich dabei und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Um zukunftsweisende Produkt- und Systemneuheiten noch schneller und kundenspezifischer auf den Markt zu bringen, wurde im September 2022 das Reinhold-Würth-Innovationszentrum Curio® am Hauptsitz in Künzelsau eröffnet. Auf 15.500 Quadratmetern entstanden moderne Klimakammern, Werkstätten und eines der weltweit leistungsfähigsten Testzentren für Befestigungstechnik sowie Testfelder für PowerTools und IoT. Im Innovationszentrum arbeiten etwa 250 Beschäftigte aus den Bereichen Produktmanagement, Qualitätssicherung sowie Forschung und Entwicklung der Adolf Würth GmbH & Co. KG und der Produktionsgesellschaften des Konzerns. Sie kooperieren über Hochschulpartnerschaften mit externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Durch die Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT sowie der Universität Stuttgart und der Reinhold-Würth-Hochschule Heilbronn am Campus Künzelsau entsteht ein Cluster aus Fachwissen und Anwendungsexpertise. Dadurch können Lösungen aus der Hochschulforschung schneller in die industrielle Praxis umgesetzt werden.